Veröffentlich am 30. September 2019

Gerätetauchen mit einer Behinderung? Geht das denn überhaupt?

Die Inklusionsschwimmer unserer Schwimmabteilung wollten darauf eine eigene Antwort finden. Wir nehmen es schon einmal vorweg: Ja, es geht ausgezeichnet und ist besonders empfehlenswert!

Aufbauend auf ihre gesammelten Schwimmerfahrungen in der Inklusionsschwimmgruppe des TSV Altenfurt e.V., konnte den Sportlern ein schon lange geäußerter Wunsch erfüllt werden: das „richtige“ Tauchen in sicherer Umgebung mit Kompressionsluftflasche am Rücken, Neoprenanzug, Atemregler im Mund und „ganz“ langen Flossen an den Füßen.

Die Schwimm- und Tauchabteilung des TSV Altenfurt e.V. hat diesen Wunsch zum Anlass genommen und mit gesammelter Unterstützung durch das Trainerteam und die Zusammenarbeit mit einer Tauchschule und einiger Vorabplanung an der Umsetzung gefeilt. Um die Equipment- und Durchführungskosten dieser besonderen Tauchschnupperstunde zu decken, wurden die gewonnenen Preisgelder der Inklusionsschwimmgruppe aus dem vergangenen Jahr herangezogen.

Nachdem die Vorbedingungen geklärt und alles organisiert war, ging es darum für die „Inklusionstauch-Neulinge“ die passende Ausstattung und Kleidung in der jeweiligen Größe zu finden. Hierfür konnte der TSV Altenfurt auf die Hilfe der Friendly Divers aus Fürth zurückgreifen, welche sich am Vorabend des Tauchgangs viel Zeit genommen hatten, jeden einzelnen Teilnehmer individuell zu beraten und vollständig mit dem benötigten Tauchzubehör einzukleiden.

Nachdem Gerät und Ausstattung ins Langwasserbad transportiert worden waren, konnte es am darauffolgenden Tag auch schon direkt losgehen, ganz ohne große Ausschweifungen und Umwege.

Johann, einer der Schwimmtrainer, erklärte in einer kurzen Theoriestunde vorab die wichtigsten Dinge rund um das Gerätetauchen und generelle physikalische Abläufe, die zum wesentlichen Verständnis der wirkenden Mechanismen notwendig sind. Vom Abtauchen, Druckausgleich, Maske spülen, Schweben über Zeichensprache hin zu Gleit- und Fortbewegungsübungen wurde alles ausführlich durchgesprochen und sämtliche Fragen der Teilnehmer beantwortet. Nach der guten Aufklärung fühlten sich alle bereit für die allererste Taucherfahrung.

Nachdem die Theorie bei allen fest in den Köpfen verankert war, ging es auch schon gleich an das Umziehen und Anziehen der Tauchklamotten. Vor allem das Anziehen der „skinny“ geschnittenen Neoprenanzüge, die im Wasser für genügend Wärme sorgten, stellte eine ganz individuelle Herausforderung dar.

Es wurde ein kurzer Zwischenstopp an Land für ein Vorher-Gruppenfoto als Erinnerung an die aufregenden Stunden eingelegt und dann ging es auch schon los. Der absenkbare Beckenboden der Sprunggrube des modernen Langwasserbads wurde auf 4 Meter herabgelassen. Der Einstieg erfolgte von allen höchst professionell, wie zuvor gelernt, rückwärts vom Beckenrand – wie bei einem echten Einstieg von einem Boot auf See. Nachdem die ersten Schwebeerfahrungen an der Wasseroberfläche zu großen Erstaunen führten, da das Equipment an Land doch sehr schwer war und das Blei zum Gewichtsausgleich in den Gürtel für zusätzliche Last gesorgt hatte, fühlten sich nun alle Teilnehmer schwerelos und konnten ohne Mühen an der Oberfläche schweben und im Wasser liegen. Dann ging es nacheinander auch schon langsam mit dem Kopf unter Wasser und zum ersten Mal stellte sich das komplett neue Gefühl vom unbeschwerten Atmen unter Wasser ein, das keiner der Inklusionstaucher zuvor kennen gelernt oder erlebt hatte – ganz ohne Stress und Hektik unbekümmert atmen und sich in Ruhe alles unter Wasser anschauen, das war sozusagen atemberaubend.

Irgendwann ging es dann für alle auch immer weiter hinunter bis auf die erstaunliche Tiefe von 4 Metern. Dort unten angekommen wurden einige grundlegende Übungen für das Gerätetauchen ausprobiert, um die Hand-Bein-Koordination zu stärken und Orientierung zu schärfen. Johann und Robin, die beiden erfahrenen Taucher, leiteten die kleine Gruppe an und begleiteten diese bei allen ihren Schritten unter Wasser. Die Möglichkeiten wurden in Erfahrung gebracht, Kommunikation ohne Worte und Schreiben auf Tafeln unter Wasser war für die Teilnehmer neu und faszinierend. Auch Spiele mit Tauchgegenständen sorgten dafür, dass die insgesamt verbrachten 85 Minuten unter Wasser an diesem Abend kurz erschienen. Im Übrigen wurden acht Flachen Pressluft verbraucht.

Nach diesen sehr intensiven und erfreulichen Stunden unter Wasser, mochten sich die Teilnehmer zunächst nicht mehr von dem Gedanken verabschieden, jetzt erst einmal nicht mehr untertauchen zu können. Der Austausch von Erfahrungen und Erlebtem ließ das Entkleiden und Aufräumen länger dauern, als das Anziehen und die Vorbereitungen im Vorfeld 😉

Wir danken ganz besonders dem Team des Langwasserbads Nürnberg, das an diesem Abend besondere Geduld bewiesen hat und die Teilnehmer nebenbei mit Anfeuern unterstütze.

Wir als Schwimm- und Tauchabteilung sind über diesen nächsten „ersten Schritt“ in Richtung Inklusion sehr glücklich. Wir hatten keinerlei Erfahrung und keine spezielle Ausbildung vorab, um mit behinderten Menschen Gerätetauchen durchführen zu können. Sorgfältig und gut vorbereitet, war die Aktion ein voller Erfolg und wir konnten neue Erfahrungen sammeln und dazu lernen. Wir nehmen mit, dass unter Wasser Menschen sehr gleich sind. Behinderte und nichtbehinderte Menschen können sich ähnlich gut fortbewegen, egal ob mit Armen oder Füßen. Die Schwerelosigkeit beim Tauchen, die durch die besonderen physikalischen Eigenschaften des Elements Wasser entsteht, gibt ein neues und ungewohntes Körpergefühl und dadurch ein Stück mehr Freiheit. Das Gefühl, schwerelos durch den Raum zu schweben, fasziniert seit Menschengedenken und für unsere kleine Gruppe Inklusionsschwimmer war es nun möglich, dies selbst zu erfahren. Für Menschen mit geistigen Behinderungen wollen wir zukünftig die ersten Schnorchelversuche an der Wasseroberfläche langsam übergehen lassen in Tauchversuche, sodass am Ende ein begleitetes Tauchererlebnis in einer Tiefe von bis zu drei Metern auch für diese speziellen Behinderungen möglich ist. Grundsätzlich kann jede/r teilnehmen, behindert oder nicht, soweit es keine gesundheitlichen Einschränkungen bezüglich Herz- und Kreislaufsystem, Atemwegen, Nasennebenhöhlen oder Ohren gibt.

Unser Fazit: Das nasse Element ist für die Barrierefreiheit wie gemacht und geradezu ideal für Menschen mit Behinderung, die auch einmal ein ganz besonderes Gefühl erleben möchten. Mit ausreichend Vorbereitung und angepassten Übungen, können auch Menschen mit Behinderung in die faszinierende Unterwasserwelt eintauchen und auf Erkundungstour gehen.

Alle waren sich einig: So eine tolle Aktion kann sehr gerne bald wiederholt und weiter ausgebaut werden, vielleicht bis hin zur offiziellen Tauchlizenz (z.B. durch Handicapped Scuba Association (HSA).

Bei guter Nachfrage möchten wir diese Entwicklung in Zukunft auch weiter unterstützen und ein regelmäßiges Angebot etablieren, wozu wir dann auch spezielle Instruktoren mit Fachwissen ausbilden werden.